Matthias Politycki – Das kann uns keiner nehmen Rezension oder: Worauf es im Leben wirklich ankommt

Vor gar nicht allzu langer Zeit bin ich bei meiner Recherche nach Buchneuerscheinungen auf Matthias Polityckis Werk „Das kann uns keiner nehmen“ gestoßen. Das Setting hat mich ebenso wie die Handlung, die sehr berührend zu sein versprach, angesprochen. Da ich es recht zügig lesen wollte, habe ich es beim Hoffmann und Campe Verlag angefragt und nach kurzem, sehr nettem Kontakt als Rezensionsexemplar zugeschickt bekommen. Der Roman umfasst 304 Seiten und erschien am 4. März 2020.

Hier könnt ihr meine Gedanken zu dem Buch in meinem Lesemonat März hören:

Die Handlung

Hans und Tscharli, ein Hamburger und ein Urbayer, beide auf dem Weg zu ein und demselben Ziel: Dem Gipfel des Kilimandscharo. Sie suchen den Ort aus ganz individuellen Gründen auf und treffen unverhofft aufeinander. Während zwischen den beiden anfangs keinerlei Sympathie herrscht, gilt es für sie kurz darauf zusammenzuhalten. Ihr gemeinsames Abenteuer beginnt und sie stellen fest, dass sie mit dem Leben noch eine Rechnung offen haben. Doch in Afrika lauert der Tod hinter jeder Ecke und nur einer der beiden wird die Heimreise antreten.

Matthias Politycki Das kann uns keiner nehmen Roman

Meine Meinung

Bei diesem Buch fällt es mir schwer, mit einem bestimmten Aspekt zu beginnen, weil es für mich ein rundum gelungenes Leseerlebnis war, das ich nicht mehr vergessen werde. Dementsprechend kann ich vorab schon einmal sagen, dass ich es auf meine Liste an Jahreshighlights gesetzt habe. 

Politycki hat mit Tscharli, einem Urbayer, und Hansi, einem Hamburger, zwei Protagonisten geschaffen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Als Hans den Gipfel erreicht, möchte er eigentlich nichts anderes als seine Ruhe und einen Teil seiner Vergangenheit dort begraben. Voller Erwartung, sein Ziel umsetzen zu können, trifft er jedoch auf Tscharli, der sich durch sein unaufhörliches Geplapper und unhöfliches Verhalten auszeichnet. Hans, der durch seine zurückhaltende Art besticht, hält Tscharli für alles andere als einen Sympathieträger und wünschte, ihre Wege würden sich so schnell wie möglich wieder trennen. Doch aufgrund eines Unwetters müssen sie die Zeit gemeinsam meistern und sich zwangsläufig mit dem anderen auseinandersetzen.

Politycki zeigt mit seinem Roman auf, dass der erste Schein trügen kann: Wir Menschen gehen nicht selten davon aus, dass unser Gegenüber genau die Eigenschaften aufweist, die wir ihm unserem ersten Eindruck entsprechend zuschreiben. Irrtümer sind nahezu ausgeschlossen. Und gerade deswegen meiden wir sie und verpassen unter Umständen die Möglichkeit, uns vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Was also lernen wir daraus, wenn wir dazu genötigt werden, Zeit mit einer Person zu verbringen, die uns im ersten Moment alles andere als sympathisch ist? Der Autor zeigt: Eine ganze Menge. Vor allem aber, dass wir eben nicht unfehlbar sind.

Zwischen Tscharli und Hans entwickelt sich eine ganze besondere Beziehung, die von Offenheit und Verständnis für den anderen geprägt ist. Einige Dinge bleiben unausgesprochen und trotzdem wissen die beiden nach einer gewissen Zeit, wie sie den anderen nehmen müssen und was hinter der Fassade steckt. Sie erzählen sich gegenseitig ihre Lebensgeschichte, traurig und dramatisch zugleich, wissen jedoch auch, das Leben in vollen Zügen zu genießen und – wie es Tscharli vermutlich sagen würde – „a Mordsgaudi zum ham“. 

Beim Lesen wuchsen mir die Protagonisten sehr ans Herz, da sich deren Erzählungen so nah anfühlten, dass ich fast schon das Gefühl hatte, ein guter Freund spricht zu mir. Ihr Umgang miteinander war an vielen Stellen zum Schießen komisch, an anderen einfach nur zum Weinen. Es war eine Art von Begegnung, die man nie wieder vergisst. Ich erinnerte mich bei der Erzählung an Menschen, die mir immer mal wieder in den Sinn kommen, selbst wenn sie an einem anderen Ort auf der Welt sind oder gar nicht mehr unter uns weilen.

Neben der besonderen zwischenmenschlichen Entwicklung versteht es Politycki, ein Bild von Afrika zu zeichnen, das mich noch neugieriger auf den Kontinent gemacht hat als ohnehin schon. Dies gelingt ihm auch an dieser Stelle nicht durch bloße Landschaftsbeschreibungen, sondern vielmehr, indem er das Gefühl, das dort herrscht, transportiert. Afrika ist seinen Erzählungen nach ein Ort geprägt von Kontrasten: Es ist immer ein sowohl als auch. Nicht einfach zu fassen. 

Bei meiner Recherche zum Autor habe ich festgestellt, dass einige Punkte in dem Roman in jedem Fall autobiographisch sind beziehungsweise auf seinen eigenen Erfahrungen beruhen. Wie viel darüber hinaus von dieser Geschichte auf ihn zutrifft, bleibt wohl der Fantasie des Lesers überlassen. 

Fazit

Es gibt sie, diese Bücher, die man nach dem Lesen einfach nie wieder vergisst, weil sie so berühren. Lässt man sich auf diese Geschichte ein, kann man wahnsinnig viel für sich selbst mitnehmen – davon bin ich überzeugt. Danke, danke, danke an Herrn Politycki für diesen wundervollen Roman. Danke dafür, dass ich Tscharli und Hans kennenlernen durfte. Dafür, dass die Worte „Ois easy. Geh weida.“ eine noch viel tiefsinnigere Bedeutung haben können als ich jemals dachte.

Eure Sybi

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