Robert Harris – Der zweite Schlaf Rezension: Bin auch ich in den Schlaf gefallen?

Von allen Seiten schwärmen sie von seinen Politthrillern: Die Robert Harris Anhänger. Der Autor soll durch sein unglaublich großes Wissen als Historiker bestechen. Gerade weil unheimlich viele Booktuber und Bookstagrammer, die ich regelmäßig schaue und deren Geschmack ich teile, von ihm so begeistert sind, musste ich ihm eine Chance geben. Vom Heyne Verlag erhielt ich freundlicherweise ein Rezensionsexemplar seines neuen Buches „Der zweite Schlaf“, der am 30. September 2019 erschien und 416 Seiten umfasst. Voller Elan begann ich also damit – ob diese Motivation bis zum Schluss anhielt? Lest selbst.

Robert Harris Der zweite Schlaf

Die Handlung

England befindet sich kurz nach einer Katastrophe in einem sehr schlechten Zustand. Der junge Priester Fairfax wird entsandt, um die Beerdigung des kürzlich an einem Unfall verstorbenen Pfarrers Lacey zu organisieren. Doch bereits während der Beisetzung werden Stimmen laut, die an der Todesursache zweifeln. Wie Fairfax bald herausfindet, befanden sich im Besitz des Pfarrers zahlreiche Gegenstände aus vergangener Zeit, die er gesammelt hat. Wurde dieses ketzerische Handeln entdeckt und führte es folglich zu seinem Tod?

Meine Meinung

Als ich mit dem Lesen begann, war ich zunächst verwirrt: Befinden wir uns hier im Mittelalter oder zu welcher Zeit spielt das Ganze überhaupt? Doch spätestens als ein bestimmtes Schriftstück auftauchte, wurde schnell klar, in welche Richtung es geht (da ich euch nicht spoilern möchte, sehe ich davon ab, genauer darauf einzugehen. Ich persönlich finde nämlich, dass einige Rezensionen, die ich glücklicherweise erst nach der Lektüre des Buches gelesen habe, zu viel vorwegnehmen). 

Die Grundidee empfand ich als wahnsinnig gut und gerade die unzähligen Bezüge zur realen Welt sind toll und regen zum Nachdenken an. Dementsprechend neugierig war ich darauf, unseren Protagonisten Fairfax dabei zu begleiten, wie er sich auf die Suche nach der Vergangenheit macht und den Tod Laceys aufklären möchte. Auf seinem Weg lernt er viele andere Charaktere kennen, die für mich jedoch allesamt keinerlei Tiefe hatten und nicht immer nachvollziehbar gehandelt haben. Bestes Beispiel hierfür war Fairfax selbst: Der Priester haderte augenscheinlich immer wieder mit seinen Gefühlen, überlegte, ob er seinem Stand/seiner Rolle entsprechend handelt… um dann kurz darauf ohne großes Zögern die Regeln „einfach so“ über Board zu werfen. Das machte ihn für mich leider sehr unglaubwürdig. 

Eine doch recht konstruierte Liebesbeziehung führte ebenfalls dazu, dass ich mich immer mehr über den weiteren Verlauf der Geschichte geärgert habe: Wozu war diese nötig? Und vor allem: Warum wurde sie nicht richtig zu Ende erzählt? Im Mittelteil zog es sich nicht zuletzt deshalb an einigen Stellen wie Gummi für mich. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich noch, dass wir schneller mit der eigentlichen Handlung vorankommen

Vielleicht hätte ich mir das aber eher nicht wünschen sollen: Das Ende kam dafür dann nämlich umso abrupter und war vollkommen überzogen. Es war für mich persönlich eindeutig zu actionlastig – vor allem in Anbetracht des Stils des restlichen Teil des Buches. Zudem wurde auch hier nicht zu Ende erzählt: Ich wollte viel mehr über die Hintergründe erfahren, den zweiten Schlaf in aller Ausführlichkeit erklärt bekommen, blieb stattdessen aber mit vielen Fragezeichen zurück. 

Harris‘ eingangs erwähntes Wissen als Historiker kam für mich an keiner Stelle durch, allerdings muss man fairerweise sagen, dass dieses Werk womöglich nicht vergleichbar mit seinen anderen ist. 

Fazit

Ein Roman, der auf einer wahnsinnig ansprechenden Idee basiert, aber für mein Empfinden nicht so umgesetzt wurde, wie er es verdient hätte. Leider konnte ich dadurch wohl nicht den „echten“ Harris kennenlernen, der durch historisches Wissen, einen gelungenen Spannungsbogen und ansprechende Protagonisten überzeugen soll. Aufgeben werde ich es mit diesem Autor definitiv noch nicht, dafür sind die Stimmen zu seinen anderen Werken zu positiv. Hoffentlich kann er mich beim nächsten Mal mehr begeistern.

Habt ihr schon etwas von Robert Harris gelesen und gegebenenfalls sogar den direkten Vergleich zu seinem neuen Buch? Dann schreibt gerne eure Sicht in die Kommentare – ich bin sehr gespannt!

Alles Liebe,

Eure Sybi

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3 comments

  1. Nach dem Lesen von Imperium, Titan und Pompeji habe ich doch einiges mehr von „Der zweite Schlaf“ erwartet. Ich teile Dein Fazit und habe nach dem ersten Drittel des Buches aufgegeben.
    Liebe Grüße Anne

  2. Liebe Sybi, danke für deinen Kommentar, der mir unter all der Lobhudelei aus dem Herzen und dem Hirn spricht.
    Ich liebe viele der anderen Bücher von Harris sehr, allen voran „Vaterland“ und die Cicero-Trilogie. Mit dem „zweiten Schlaf“ konnte ich rein gar nichts anfangen, fand ihn aus exakt denselben Gründen wie du ärgerlich misslungen.
    Veronika

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