Wir alle kennen sie vermutlich: Die Geschichten von Frauen, die sich zu Straftätern im Gefängnis hingezogen fühlen, ihnen Briefe schreiben und sie regelmäßig besuchen. Ich bin immer wieder fasziniert davon, dass sowas überhaupt möglich ist und was die Menschen dazu verleitet. Dementsprechend hörte sich „Unschuldig“ von Amy Lloyd ganz nach meinem Geschmack an, weswegen ich es beim btb Verlag angefragt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt bekommen habe. Es erschien am 13. Januar 2020 und umfasst 384 Seiten.
Die Handlung
Dennis ist ein verurteilter Mörder. Er soll für das Verschwinden und den Tod mehrerer Frauen verantwortlich sein. Doch die Menschen sind davon überzeugt, dass er es nicht gewesen ist. Dennis ist charismatisch, posiert vor der Kamera und wirkt nach außen wie ein sympathischer junger Mann, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Auch Samantha gehört zu den Menschen, die an seine Unschuld glauben und kontaktiert Dennis in Form eines Briefes. Die beiden lernen sich kennen und die Geschichte nimmt ihren Lauf…
Meine Meinung
Erstmal vorab: Ich habe die Handlung des Buches ein wenig knapper zusammengefasst, als es der Klappentext tut. Und das aus gutem Grund. Aus meiner Sicht gibt dieser nämlich viel zu viel über die Handlung preis, sodass ich fast sagen würde, dass er rückblickend betrachtet gar keinen großen Leseanreiz bietet. Falls ihr also diese Rezension lest, ohne vorher einen Blick auf das Buch geworfen zu haben, würde ich euch empfehlen, es auch weiterhin nicht zu tun.
Lloyd hat einen sehr klaren, verständlichen Sprachstil, sodass sich das Buch schnell „herunterlesen“ hat lassen. Die Stimmung ist ihr meiner Meinung nach recht gut gelungen: Ich hatte beim Lesen durchgehend das Gefühl, dass etwas Bedrohliches mitschwingt und ich nie genau sagen kann, was als nächstes passiert. Der Anfang eines Kapitels knüpfte größtenteils unmittelbar an das Ende des vorherigen an, was ich meist nicht so sehr mag. Ich empfinde es als viel spannender, wenn zwischen unterschiedlichen Szenen/Personen gewechselt und der Leser dadurch noch ein wenig hingehalten wird. Da ich mir aber auch gut vorstellen kann, dass gerade das viele nervt, würde ich es nicht als negativen Punkt bezeichnen.
Was ich allerdings wirklich nicht gekonnt umgesetzt empfunden habe, waren die Protagonisten: Samanthas Handeln konnte ich an keiner Stelle nachvollziehen. Sie wirkte auf mich sehr naiv und ohne jegliches Selbstbewusstsein. Das Offensichtlichste fiel ihr entweder zu keinem Zeitpunkt auf und selbst wenn, ignorierte sie es einfach. Ich verstehe, dass manche Menschen tatsächlich so sein mögen, aber ab einem gewissen Punkt ist es für mich dann einfach nicht mehr glaubhaft.
Mein zweiter Hauptkritikpunkt ist der Spannungsbogen: Eigentlich würde ich fast so weit gehen, dass ein solcher in diesem Buch gar nicht vorhanden war. Die Handlung plätscherte vielmehr nur vor sich hin, die Schauplätze beschränkten sich mehr oder minder auf zwei. Der zweite machte zwar Sinn, war für mich jedoch so langgezogen, dass er mich recht zügig langweilte. Gegebenenfalls auch deshalb, weil ab diesem Zeitpunkt die Handlung mehr oder weniger stagnierte. Erst gegen Ende kam dann nochmal ein großer „Knall“, den ich jedoch auch als etwas befremdlich empfand.
Gut fand ich wiederum die Bedeutung von Social Media und dessen Auswirkung auf die Wahrnehmung einer Person von außen. Schließlich ist dieses Thema topaktuell und wird für uns auch künftig immer wichtiger werden. Trotzdem hätte aus meiner Sicht dieser Punkt auch noch etwas genauer ausgearbeitet beziehungsweise auf die Spitze getrieben werden können.
Mein Fazit
Für mich leider nur ein 0815-Thriller, dem ich maximal 2 Sterne geben kann. Die Grundideen waren gut, die Umsetzung dafür jedoch leider umso weniger: Wenn die Spannung, die mit das Hauptziel eines Thrillers sein sollte, nicht vorhanden ist, ist eine positive Bewertung aus meiner Sicht kaum möglich. Wenn dann auch noch die Protagonisten nerven, sich der Autor – oder in diesem Fall die Autorin – zu lange an Dingen oder Schauplätzen aufhält, welche die Handlung nicht voranbringen, und andere interessante Themen dafür umso weniger herausarbeitet, führt das zu meinem abschließenden Fazit: Dieses Buch muss man nicht lesen, da gibt es weit bessere Thriller, die dem Leser Nervenkitzel und facettenreiche Figuren bieten.