Der Hype und die Präsenz sind groß. Neben unzähligen Bookstagram-Posts findet man derzeit das Cover zu Winkelmanns neuem Thriller auf zahlreichen Plakaten. Für mich meist ein Grund, erst einmal ein wenig Abstand davon zu halten und abzuwarten, bis es wieder etwas ruhiger um das Buch wird. Nicht selten haben mich gehypte Bücher – vermutlich wegen zu hoher Erwartungshaltung – enttäuscht. Bei diesem Thriller konnte ich allerdings nicht abwarten und habe ihn beim Rowohlt Verlag angefragt, der mir das Buch freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. „Die Lieferung“ erschien am 18. Juni 2019 und umfasst 400 Seiten.
Keine Zeit, die Rezension zu lesen? Dann schaut den Part zu „Die Lieferung“ in meinem Lesemonat an:
Die Handlung
Viola fühlt sich bereits seit Wochen verfolgt, kann jedoch nicht genau festmachen, woher dieses Gefühl kommt. Ihre beste Freundin ist die einzige, die ihr glaubt und den vermeintlichen Verfolger sogar gesehen zu haben glaubt. Als sie sich jedoch kurze Zeit darauf nicht mehr meldet, wird Viola von noch größeren Ängsten geplagt und bleibt seitdem abends lieber zuhause. Netflix und der Lieferservice bestimmen ihren Alltag. Doch die Pizza, die sie bestellt hat, wird für immer unangetastet bleiben.
Nahezu zeitgleich wird der Polizeikommissar Jens Kerner mit einem neuen Fall konfrontiert: Er trifft auf eine geisterhafte Erscheinung, eine junge, bleiche Frau, die völlig verstört im Wald umherirrt und Menschen attackiert. Je näher er und sein Team an die Wahrheit gelangen, desto klarer wird, wie schrecklich die Hintergründe sind und welch perfide Vorgehensweisen dahinterstecken.
Meine Meinung
Erst einmal vorab: Ich habe diesen Thriller geliebt. Wieso? Weil es endlich einmal wieder einer der Sorte war, der völlig ohne überraschendes Ende auskommt und dabei trotzdem von der ersten bis zur letzten Seite spannend war. Ich teile nicht die Ansicht, dass man beim Lesen eines Thrillers bis zum Ende nicht wissen können sollte, wer der Täter ist. Oftmals stört mich sogar gerade dieser Punkt, weil die Auflösung nicht selten so an den Haaren herbeigezogen ist, dass es mich fast schon nervt. Man muss also ganz klar sagen: Bei „Die Lieferung“ ist relativ schnell deutlich, wer der Täter ist.
Trotzdem gibt es nach diesem Zeitpunkt noch sehr viele Dinge zu klären: Dazu zählt vor allem, wie verschiedene Handlungen zusammenhängen und was die Beweggründe des Täters sind. Allein diese beiden Aspekte machen das Buch unheimlich spannend und interessant, weswegen es für mich persönlich völlig egal war, dass ich bereits wusste, wer der Täter ist (und gerade diese Punkte waren selbstverständlich auch notwendig, um den Anreiz zum Weiterlesen zu schaffen).
Unglaublich viele Thrill-Elemente haben mich nachts wachgehalten: Besonders beim Verhalten der bleichen, jungen Frau lief mir nicht selten ein eiskalter Schauer über den Rücken. Die Vorstellung ihrer Mimik und Gestik war in meinem Kopf so gruselig und verstörend, dass ich tatsächlich ein mehr als ungutes Gefühl beim Lesen bekam und es mich sogar in Gedanken weiterverfolgt hat. Genau diese Stimmung und dieses Gefühl muss für mich ein guter Thriller-Autor auslösen können! Auch dass der Täter anfangs kaum greifbar ist und ich mich unheimlich gut in Violas Lage hineinversetzen konnte, trugen dazu bei, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Besonders gut haben mir außerdem geschickt eingebaute Rückblenden gefallen, die genauere Einsicht in Beweggründe liefern und auf diese Weise auch auf psychologischer Ebene unheimlich guten Einblick geben. Mich persönlich interessiert ja immer sehr, warum sich Menschen auf eine gewisse Art und Weise verhalten – ich möchte ihr Verhalten „nachvollziehen“ beziehungsweise „erklären“ können (nicht im Sinne von „rechtfertigen“ natürlich).
Das Ermittler-Team rund um Jens Kerner war unglaublich sympathisch: Andreas Winkelmann gelingt es hier, die Personen so gut zu beschreiben, dass man sie nicht nur optisch direkt vor Augen hat, sondern auch eine sehr gute Vorstellung davon hat, durch welche Eigenschaften ihr Wesen geprägt ist. Jens ist für mich meine absolute Lieblingsfigur, weil er aus meiner Sicht in den wichtigen Situationen richtig entscheidet, ohne Angst vor Konsequenzen zu haben. Auf der anderen Seite aber – vor allem im privaten Umfeld – eine gewisse Unsicherheit an den Tag legt, die ihn umso liebenswerter macht.
Abschließend möchte ich noch ein paar Worte über den Schreibstil verlieren: Winkelmann überzeugt mich vor allem dadurch, dass er es in kurzen, knappen Sätzen schafft, die wesentlichen Punkte darzustellen – sei es die Handlung als solche betreffend oder das Wesen der Personen beschreibend. Hier gab es nichts, was man meinem Empfinden nach streichen hätte müssen oder Stellen, an denen man sich als Leser darüber ärgert, dass die Handlung nicht vorankommt. Ich liebe den direkten, nicht verschnörkelten Stil und werde deshalb ganz, ganz sicher weitere Bücher von Winkelmann lesen (dieses war nämlich mein erstes!). Falls ihr also konkrete Tipps habt, gerne her damit!
Fazit
Wer mal wieder einen Thriller lesen möchte, der nicht mit spektakulärem, unerwartetem Ende trumpft, sondern gerade trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit damit punktet, die Spannung aufrechtzuerhalten, sollte sich dieses Buch dringend genauer ansehen. Ich liebe es gerade deshalb, weil es für mich endlich mal wieder eines war, das aus der Reihe fällt.
Habt ihr es schon gelesen? Wenn ja, wie fandet ihr es?
2 comments
Das war mein allererster Winkelmann-Thriller… Und ich habe ihn geliebt! 😀 Ich habe ihn mir als Hörbuch gegönnt, und hätte am liebsten 24h am Tag der Story gelauscht. Spannend vom Anfang bis zum Ende. 😀
Da kann ich dir nur zustimmen! Es war einfach toll 🙂