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Vor Monaten habe ich bereits über Grenzgang berichtet. Ein Programm, das Globetrottern, Forschern, Fotografen u.v.m eine Plattform bietet, ihre Erlebnisse und Erfahrungen anderen Menschen mitzuteilen. Einige Veranstaltungen in Köln und Düsseldorf habe ich bereits besucht und war jedes Mal aufs Neue begeistert: So nahm Michael Wigge das Publikum auf humorvolle Art und Weise auf eine spannende Reise von Berlin bis in die Antartkis mit. Ohne Geld in der Tasche wurde schnell klar, dass es einiges an Ideen und Mut bedarf, um sich durchzuschlagen. Doch irgendwie – so hat er eindrucksvoll bewiesen – geht es immer.
Gabriela Staebler (National Geographic Fotografin) hingegen vermittelte mit ihren atemberaubenden Fotos weit mehr als eine ungefähre Vorstellung davon, was den Lebensraum Savanne auszeichnet. Ihre Bilder weckten Emotionen. Allein der Anblick des majestätischen Löwen, dessen Aura von Kraft und Stärke geprägt ist, ließ so manchen aus dem Publikum schlucken. Und das in keinster Weise in negativem Sinne: Vielmehr war es Ehrfurcht. Ehrfurcht vor der Schönheit des Tieres, die Gabriela Staebler mit ihren Fotos zu vermitteln wusste.
Gerade weil mich alle Grenzgang Veranstaltungen zuvor absolut begeistert haben und mir all die inspirierenden Persönlichkeiten bis dato nicht aus dem Kopf gegangen sind, stand fest: Auch diese Saison werde ich mir die Vorträge der Referenten, die mich interessieren, anhören. Vor bereits knapp einem Jahr hielt ich das neue Programmheft in meinen Händen. Nach einigem Hin- und Herblättern las ich den Titel der Veranstaltung von Günter Wamser: „Der Abenteuerreiter. Mit Pferden von Feuerland bis Alaska.“. Völlig aufgeregt berichtete ich an diesem Tag – fast ein Jahr vor der eigentlichen Veranstaltung – meinem Freund davon und bestimmte direkt für uns beide, dass wir uns das anschauen werden. Da bis zum entsprechenden Termin jedoch noch so viel Zeit war, warteten wir ab. Aufgrund unregelmäßiger Arbeitszeiten blieb uns auch gar nichts anderes übrig. Die Tage zogen also ins Land und im Januar kam mir wie aus dem Nichts (ich hatte mir natürlich den Termin nicht im Kalender abgespeichert…) der Gedanke: „Mist, war da nicht irgendetwas?!“. Es kam wie es kommen musste: Genau zwei Tage nach Wamsers Vortrag in Köln dachte ich daran. In dem Glauben, es verpasst zu haben, war ich erst einmal sauer und enttäuscht, schließlich war es die Veranstaltung, die bisher von allen das größte Interesse meinerseits geweckt hat. Beim genauen Blick auf den Grenzgang Terminkalender stellte ich jedoch fest, dass Günter Wamser zwei Tage später in Düsseldorf nochmals über seine jahrelange Reise im Sattel referiert. Diese Erkenntnis und das Glück, dass es noch Karten gab, verschafften mir also doch noch Zugang zum Vortrag. Und was bin ich froh, dass es wirklich noch geklappt hat.
Meine Liebe zu Pferden entwickelte sich bereits in meiner Kindheit. Schon im Kleinkindalter fuhr ich mit meinen Eltern regelmäßig auf Bauernhöfe und mein Hauptinteresse galt damals ganz klar den Ponys und Pferden. Das Gefühl von Angst kannte ich in dem Zusammenhang damals nicht: Ich musste auf den Pferderücken, koste es, was es wolle. Einige Jahre später begann ich mit Westernreitunterricht, was für mich ein wahnsinnig toller Ausgleich war und mir großen Spaß bereitete. Doch nach unserem Umzug damals war es nicht mehr möglich, das Hobby fortzuführen. Es vergingen Jahre, bis ich wieder im Sattel saß. Doch bereits vor meiner Au Pair Zeit in den USA, die direkt nach dem Abitur begann, setzte ich mir ein einziges Ziel: „Ich muss die Zeit nutzen und für mindestens eine Woche auf eine Ranch gehen. Ich werde jeden einzelnen Tag reiten und die Natur und Nähe zu den Tieren genießen.“ Etwa drei Monate vor dem Ende meines Aufenthalts flog ich also nach Colorado: Ich ritt zweimal am Tag für mehrere Stunden mit der Crew aus – durch Flüsse, entlang der Rocky Mountains im Schritt, Trab und Galopp. Und was soll ich sagen? Es war die schönste Reise meines Lebens.
Danach vergingen wieder einige Jahre ohne Reiten: Das Studium begann, ich befand mich mitten in einer Großstadt und aufgrund der Eingewöhnungsphase und der zahlreichen (oft unsinnigen) Dinge, die einem im Kopf herumschwirren, blieb keine Zeit dafür (ganz zu Schweigen vom finanziellen Aspekt – ja, Reitstunden sind teuer und gerade für Studenten kaum stemmbar). Mittlerweile habe ich jedoch einen Hof gefunden, bei dem ich zumindest gelegentlich reiten kann: Jede Stunde dort hilft mir, abzuschalten und mich fallen zu lassen. Da sagt noch einer, Pferde hätten keine heilende Wirkung…
Vor diesem Hintergrund hat mich die Reise Wamsers direkt in ihren Bann gezogen: Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als 20 Jahre lang im Sattel durch die Natur zu reiten und die Umgebung auf mich wirken zu lassen. Dass dabei nicht alles problemlos vonstatten geht, versteht sich von selbst. Wamser, der sich in Argentinien zwei Pferde, Rebelde und Gaucho, kaufte, hatte alles andere als einen leichten Start: Er musste das Zureiten selbst übernehmen und dafür sorgen, dass die beiden Vertrauen zu ihm fassten.
Ich kann gar nicht wiedergeben, wie oft sie ihm durchgingen und er sie wieder einfangen musste. Insbesondere Rebelde, wie der Name bereits vermuten lässt, machte ihm die Reise nicht gerade einfach. Außenstehende empfahlen ihm, ihn gegen ein anderes Pferd einzutauschen – eines, das ihn (sicher) vorwärts bringt. Doch was heißt „vorwärts“ überhaupt? Günter Wamsers Ziel war es nicht, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen. A und B wollte er nicht einmal definieren. Oftmals hatte er das Gefühl, sich verlaufen zu haben – dennoch drehte er nicht um oder wechselte die Richtung. Nein, er ging zielstrebig den Weg weiter, auf dem er sich befand – mit dem Vertrauen darauf, dass er genau dort ankomme, wo er ankommen sollte. Wie lang das Ganze dauern sollte, spielte ebenfalls keine Rolle. Wenn eines seiner Tiere krank war oder er aus anderen Gründen nicht weitergehen konnte, wartete er. Auch wenn es ein Jahr dauerte. Für ihn stand fest: „Der Weg ist das Ziel.“ Der Weg dauerte letztendlich 20 Jahre, obwohl der ursprüngliche Zeitrahmen weit kürzer angedacht war. Doch Günter Wamser machte alles andere als einen enttäuschten Eindruck darüber: Die Ereignisse in all den Jahren beschafften ihm längere Zeit im Sattel und noch mehr Erfahrungen.
Während er die ersten Jahre völlig auf sich allein gestellt mit seinen Pferden und seinem Hund Falko auf dem Weg war, verbrachte er den zweiten Teil seiner Reise mit Sonja Endlweber und Hündin Leni. Beide hielten zusammen den Vortrag in Düsseldorf und durch ihre Erzählungen wurde schnell klar, dass die beiden ein eingespieltes Team sind und gemeinsam ihren Traum verwirklichen. Ich bin mir sicher, dass man noch ganz viele neue spannende Geschichten von den beiden hören wird und freue mich jetzt schon darauf.
Mit dem Blogpost verfolge ich übrigens nicht das Ziel, Günter Wamsers Reise im Detail nachzuerzählen. Vielmehr wollte ich auf die Punkte eingehen, die mich inspirieren und euch dazu animieren, einen seiner Vorträge zu besuchen – es lohnt sich nämlich wirklich.
Übrigens: Auf die Frage Sonjas an das Publikum, wer denn reite, meldete sich weit mehr als die Hälfte. Irgendwie war das auch zu erwarten: Beim Lesen des Titels schlägt jedes Reiterherz höher. Doch ich finde, dass die Veranstaltung nicht nur etwas für Pferdeliebhaber war. Vielmehr war es die Einstellung zum Leben, zur Natur und zu den Tieren, die mich fasziniert und inspiriert hat. Jeder kann sich doch selbst einmal entsprechende Fragen stellen. Wir alle setzen uns Ziele und hetzen uns nicht gerade selten ab, um sie zu erreichen. Grund dafür sind natürlich häufig die gesellschaftlichen, oftmals auch unausgesprochenen Anforderungen: „Wie kann man denn bitte so lang für seine Ausbildung/ sein Studium (was auch immer) brauchen?!“, „Jetzt wird es aber mal Zeit, dass du richtig Geld verdienst. Was soll denn nur aus dir werden?“ Klar, von nichts kommt nichts, aber was bringt es uns, wenn wir am Ende nach Luft schnappend, kraftlos und leer an unserem Ziel angekommen sind? Dann steht man da und denkt sich: „Okay, ich hab‘ mein Ziel erreicht, aber wirklich…? War’s das schon?!“. Vom Weg dorthin ist nichts mehr übrig, da wir in all dem Stress und mit Tunnelblick auf das Ziel den Sinn für die kleinen Fortschritte und schönen Erlebnisse verloren haben. Sich ein Ziel zu setzen ist wichtig: Wir haben eine Aufgabe, müssen über unseren Schatten springen, weitermachen, auch wenn es noch so ausweglos erscheint. Aber in Gottes Namen: Wir dürfen dabei nicht vergessen zu leben. Nehmt einfach mal ein bisschen Geschwindigkeit aus eurem Leben, lehnt euch zurück und genießt den Moment.
In diesem Sinne wünsche ich euch noch einen schönen Donnerstag Abend!