Wie ihr vielleicht wisst, habe ich Liebes Kind letztes Jahr total gefeiert: Mit dem Buch ist der Autorin meiner Meinung nach ein tolles Debüt gelungen, weswegen ich umso gespannter auf ihr kommendes Werk „Marta schläft“ war. Es erschien am 24. April 2020 im dtv Verlag und umfasst 400 Seiten. Der Verlag sendete mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar, das ich sehr zügig nach Erhalt angefangen habe zu lesen.
Die Handlung
Nadja ist eine verurteilte Straftäterin, die nach Absitzen ihrer Haft hofft, ein neues Leben beginnen zu können. Doch dann passiert ein Mord, der vertuscht werden soll. In einem Haus mitten im Nichts erreicht das Geschehen seinen Höhepunkt und wirft Fragen auf, die Vergeltung, Schuld und Freiheit eines Täters betreffen.
Meine Meinung
Ich will ganz ehrlich mit euch sein: Normalerweise fasse ich die Handlung eines Buches immer in eigenen Worten zusammen und orientiere mich nicht am Klappentext. Schließlich habe ich es gelesen und weiß genau, worum es in dem Buch geht. Aber: Bei Marta schläft wollte mir das nicht gelingen und ich musste tatsächlich die vorgegebenen Worte nutzen, um euch einen kleinen Überblick zu geben.
Und hier lauert auch schon mein erster Kritikpunkt: Ich liebe Verwirrspiele, die es aufzudröseln gilt. Hier hat sich Romy meiner Meinung nach jedoch ein wenig verzettelt. Der Beginn des Buches stiftete jede Menge Verwirrung – ein Mittel, das sicher nicht selten bei Thrillern eingesetzt wird. Das Problem war jedoch, dass ich mich auch hunderte Seiten später nicht selten fragte: Was soll das Ganze überhaupt und wie hängt welcher Strang mit anderen zusammen? Es werden mehrere Geschichten nahezu zeitgleich erzählt – teilweise als Rückblick in die Vergangenheit, teilweise mit Aktualitätsbezug, dann aber mit vollkommen unterschiedlichen Charakteren, die in keinem Bezug zueinander zu stehen scheinen. Ich empfand es beim Lesen als recht anstrengend, da ich ständig auf der Suche nach irgendwelchen Verknüpfungen war, die einfach nicht kamen. Erst ganz am Schluss habe ich Antworten auf meine Fragen bekommen: Dies muss per se nicht schlecht sein, allerdings wirkte es auf mich leider fast ein wenig willkürlich. Wenn die Aspekte erst am Ende des Buches aufgeklärt werden, müssen sie aus meiner Sicht immerhin so logisch sein, dass ich es mir sinnvoll erklären kann – bedeutet konkret: Über die hunderten Seiten hinweg muss es auf eben diese Lösung hinauslaufen. Dafür gab es für mich jedoch zu wenig Hinweise. Alternativ hätte man aus meiner Sicht einen der Handlungsstränge stark verkürzen können, wenn es nur um die Pointe als solche ging.
Nichtsdestotrotz muss ich auf der anderen Seite auch zugeben, dass mich das Buch gefesselt hat, was vor allem an Romy Hausmanns Kunst liegt, Charaktere lebendig zu machen. Durch den Wechsel ihrer Erzählperspektiven (Ich-Erzähler und dritte Person) war es für mich sehr abwechslungsreich zu lesen. Zudem trug es natürlich dazu bei, dass wir Leser der Ich-Perspektive mehr Vertrauen schenken als der distanzierten Schreibweise in der dritten Person: Ob wir uns dabei in unseren Annahmen wirklich immer so sicher sein können, müsst ihr natürlich selbst lesen.
Die Gefühlswelt der Charaktere hat sie toll aufgezeigt, wodurch es ihr auch super gelang, Atmosphäre zu schaffen. Vor allem Gero, ein Mann der im Laufe des Buches eine besondere Rolle spielt, war für mich zu Beginn sehr interessant, weil er schwer zu greifen war. Müsste ich seinen Charakter beschreiben, würde es mir definitiv nicht leicht fallen. Doch auch hier hatte ich so meine Schwierigkeiten, die Entwicklung der Protagonisten an jeder Stelle nachzuvollziehen. Insbesondere sein Verhalten halte ich für extrem fragwürdig und doch eher unrealistisch, auch wenn seine Beweggründe in Ansätzen deutlich wurden.
Nach einem für mich nicht vorhersehbaren Twist, über den ich mich per se übrigens gefreut habe, kamen für mich die auf dem Klappentext angeteaserten Fragen nach Schuld, Vergeltung und Freiheit auf. Die Wendung lud zudem dazu ein, dass ich mich als Leserin gefragt habe: Würden Menschen in Situation xy wirklich so handeln? Macht das Sinn? Abschließend beurteilen kann ich das natürlich nicht, aber puh, teilweise empfand ich es wirklich als etwas abgespaced. Andererseits gibt es so viele Fälle, von denen ich selbst nie dachte, dass sich Menschen so verhalten könnten, weswegen es mir wiederum nicht allzu unlogisch erscheint. Ihr merkt schon, ich bin ein wenig zwiegespalten.
Trotzdem kam die Wendung für meinen Geschmack um einiges zu spät – und damit auch der Thrill: Zuvor plätscherte die Handlung eher so dahin. Ich kam zwar trotzdem zügig vorwärts, bis zu diesem Abschnitt aber eher wegen des tollen Schreibstils. Nach dem Twist war dann aber wirklich die Handlung als solche Grund dafür, weswegen ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Romy hat es für mich geschafft, dass ich unbedingt weiterlesen wollte, trotzdem habe ich mich zwischendrin aber auch leider oft genug dabei ertappt, wie ich unzufrieden mit der Aufklärung als solche und der Erzählweise war.
Fazit
Tatsächlich kann ich mich bei diesem Buch weder den durchweg positiven noch den vollends negativen Rezensionen anschließen: Für mich war es immer noch ein solider Thriller, der jedoch leider weit hinter Liebes Kind zurückblieb. Der Schreibstil war wie gewohnt toll, brachte mich den Charakteren näher und schuf eine tolle Atmosphäre. Trotzdem wollte die Autorin in diesem Buch für meinen Geschmack ein bisschen zu viel, sodass der Großteil des Buches für mich wirr wirkte. An dem Punkt, dass ich nichts mehr von ihr lesen wollen würde, bin ich aber sicher nicht. Deshalb bin ich sehr gespannt auf weitere Werke von ihr: Ihre Ideen finde ich toll und ihre Art zu schreiben fühlt sich für mich beim Lesen nahezu wie ein „Rausch“ an. Für das nächste Mal würde ich mir ein bisschen mehr Fokus anstatt eines „Überall ein bisschen, aber nirgendwo so ganz“ wünschen. Ich freue mich trotzdem sehr auf ihr nächstes Buch!
Habt ihr es schon gelesen? Falls ja, berichtet mir gerne von eurer Meinung darüber.
Ganz liebe Grüße
3 comments
Mir ging es da sehr ähnlich, wie dir. Ich hatte hohe Erwartungen. Das Buch war nicht schlecht, konnte mich aber auch nicht so richtig überzeugen…
Schade, dass es mit dem Debüt-Thriller nicht mithalten konnte. Aber egal, hoffentlich beim nächsten Mal. 🙂